Winter –
Jahreszeit im Zeichen des Wasser-Elements

Liebe Qi Gong- und Taiji-Interessierte
Liebe Freunde der inneren Kultivierung

Die Tage um den 7. und 8. November markieren nach dem chinesischen sogenannten Bauernkalender den Winteranfang (Lidong). Die weiteren, jeweils 15 Tage dauernden Abschnitte des Winters sind Xiaoxue (Kleiner Schnee), Daxue (Grosser Schnee), Dongzhi (Wintersonnwende), Xiaohan (Kleine Kälte) und schliesslich, Ende Januar bis Anfang Februar, Dahan (Grosse Kälte).

Im System der fünf Wandlungsphasen (Wu Xing) ist der Winter durch das Element Wasser und die Farbe Schwarzblau bestimmt, durch Rückzug und Bewahren der Kräfte in Stille während dieser von Dunkelheit und Kälte geprägten Jahreszeit. Im I Ging entspricht dem Wasser-Element das Trigramm Kan (“das Abgründige”, Wasser als die dunkle, alles durchdringende, unbezwingliche Kraft, die in der Tiefe wirkt).

Gemäss TCM sollte in dieser Jahreszeit dem Organ-Funktionskreis Niere – Blase besondere Aufmerksamkeit zukommen. Dieser umfasst, soweit der westlichen Medizin analog, Sexualität, Fortpflanzung und Wasserausscheidung, also das Urogenitalsystem, darüber hinaus aber Knochen, Gelenke, Knochen- und Rückenmark, somit auch das Zentralnervensystem inklusive Gehirn und schliesslich den Gehörssinn. Gemäss den chinesischen Medizinklassikern speichern die Nieren das Jing, die uns von unseren Eltern im Zeugungsakt übertragene Lebenskraft – gewissermassen unsere energetische Grundausstattung. Im Laufe des Lebens wird dieser Vorrat nach und nach abgebaut. Langlebigkeit beruht darauf, das Jing nicht zu vergeuden, es vielmehr zu hüten und zu nähren; dafür ist gerade der stille Winter die rechte Zeit. Was uns auf Dauer besonders “an die Nieren geht”, sind Tabletten-, Alkohol- und Nikotinmissbrauch, zwanghafte, lieblos gelebte und zügellose Sexualität, schlechte Ernährung, ungeregelter Schlaf, chronische Überarbeitung, andauernder Stress. Sehr problematisch sind ausserdem unverarbeitete Traumata, Schockerlebnisse und daraus resultierende tiefsitzende Ängste.

Das Huangdi Nei Jing rät:

Während der Wintermonate welken die Dinge, sie ziehen sich zurück, gehen nach Hause und treten in eine Phase der Ruhe ein, so wie Seen und Flüsse zufrieren und Schnee fällt. Es ist eine Zeit, in der das Yin das Yang dominiert. Deswegen solltet Ihr es vermeiden, die Yang-Energie übermässig zu beanspruchen. Zieht Euch bald zurück, und steht mit der Sonne auf, also etwas später als zu anderen Zeiten des Jahres. Vor allem solltet Ihr Eure sexuellen Begierden zügeln, als wolltet Ihr ein freudiges Geheimnis verbergen. Haltet Euch warm, meidet die Kälte, und lasst die Poren geschlossen. Vermeidet jedes Schwitzen. Kennzeichen des Winters ist das Speichern und Bewahren. Befolgt Ihr diese Prinzipien nicht, wird die Nieren-Energie in Mitleidenschaft gezogen.
(Zitiert nach Maoshing Ni: Der Gelbe Kaiser. Das Grundlagenwerk der Traditionellen Chinesischen Medizin. Frankfurt a.M. 1998.)

Übungen

  • Die dritte und die achte der “Taiji-ähnlichen Qi Gong-Übungen in achtzehn harmonischen Figuren” (Shibashi): Einen Regenbogen bewegen; Den Kopf drehen und den Mond anschauen
  • Aus den Ba Duan Jin (acht Brokatübungen) die Nieren-Übung Mit beiden Händen die Füsse fassen, um Hüften und Nieren zu stärken
  • Nieren-Übung (mit dem Laut düüh) aus dem Set Sechs heilende Laute
  • Meditation: Inneres Lächeln, während die Aufmerksamkeit nacheinander längere Zeit beim Huiyin (Dammpunkt), im unteren Dantian (Beckenraum unterhalb des Nabels) und im Bereich zwischen dem Nabel und der Wirbelsäule verweilt
  • Mit übereinander gelegten flachen Händen nacheinander in beiden Richtungen – im Gegen- wie im Uhrzeigersinn – kreisend den Unterbauch massieren, hierauf im Rücken mit Fäusten in beiden Richtungen – auswärts wie einwärts – auf den Nieren kreisen und schliesslich mit flachen Händen das Kreuzbein auf und ab reiben, bis sich Wärme im Lendenbereich und im Becken ausbreitet
  • Akupressur von NI 1 Yongquan (“Sprudelnde Quelle”, in der Mitte des vorderen Teils der Fusssohle zwischen den Ballen, an beiden Füssen)
  • Taiji Quan: Beim Üben der Form und in der Stehmeditation Zhan Zhuang immer wieder alle Anspannung in den Muskeln, in Kopf, Schultern und Armen, Brust und Bauch los- und die Energie mit jedem Ausatem bewusst ins untere Dantian sinken lassen


Ernährung

Kohlarten, Wurzelgemüse, Kürbis, Esskastanien, Pilze, etwas mehr gesottenes und gebratenes Fleisch als zu anderen Jahreszeiten, wärmende Gewürze, Ingwer, Dörrfrüchte, Kernobst, Nüsse

Heilpflanzen

  • Efeu (Hedera helix, Blätter) bei fiebrigen Erkältungen, Atemwegsentzündungen, Abwehrschwäche; Tee zur äusserlichen, Tinktur oder Fertigarznei zur innerlichen Anwendung
  • Goldrute (Solidago virgaurea, Blüten und Kraut) bei Nierenerkrankungen, Harnwegsinfekten, Prostatabeschwerden; innerlich als Tee, Tinktur oder Fertigarznei
  • Wacholder (Juniperus communis, Beeren) prophylaktisch zur Immunstärkung, bei ersten Anzeichen einer Erkältung, bei Erschöpfung, Kältegefühl, Depression, harntreibend; täglich bis 15 Beeren als 4-wöchige Kur