Zentrale Disziplin im Taiji Quan ist stets das Studium einer “Form”, die das gesamte Repertoire an Stössen, Faustschlägen, Kicks, Abwehrstellungen, Ausweichmanövern, Vor- und Rückwärtsschritten, Richtungswechseln etc. beinhaltet, das in den Kampfkünsten Anwendung findet, und zwar in einer längeren, festgelegten Abfolge von langsam und mit höchster Konzentration auszuführenden Bewegungen, die ohne jegliche Stockung fliessend ineinander übergehen. Im Yang-Stil dauert die Form etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten. Ihre drei Teile symbolisieren in Anlehnung an die daoistische Kosmologie die Erde, den Himmel und den Menschen, der beide verbindet. Die Bewegungen gehen aus der Stille hervor und kehren am Ende in die Stille zurück; sie erstrecken sich in alle acht Himmelsrichtungen und wechseln ständig von Yin (zurückweichend bzw. erdwärts gerichtet, öffnend, aufnehmend) zu Yang (vorwärtsgehend bzw. nach oben gerichtet, schliessend, Energie aussendend). Darin widerspiegeln sie jene grundlegenden, von Polaritäten, Rhythmen, zyklischen Verläufen bestimmten Gesetze, auf denen der Wandel allen Lebens im Universum beruht. Insofern ist Taiji, wenn es in einer meditativen Haltung praktiziert wird, weit mehr als ein softes Kampfkunsttraining oder eine exotische Art Gymnastik!
Begleitet wird die Formarbeit von anfänglich strukturierten, später auch freien Partnerübungen wie Tui Shou („schiebende Hände“, Push-hands), in denen die Lernenden in spielerischer Form ihr wachsendes Verständnis der Kampfkunstaspekte erproben und anwenden können, und von Qi Gong-Methoden zur Entspannung und Lockerung, zur Schulung der Achtsamkeit und um den Atem zu trainieren und “innere Kraft” zu entwickeln. Für letzteres stellt insbesondere das Zhan Zhuang (ausgesprochen: dschan dschwong; Stehmeditation mit wechselnden Armpositionen) einen zwar herausfordernden, aber lohnenden Übungsweg dar.